Boston, Massachusetts nach Shennondoah, Virginia

Am 05.09.2018 bin ich von Calgary nach Boston geflogen. Ich kam halb zehn morgens an, Julia, Thomas und Emilia sollten 15:00 Uhr landen. Ich verbrachte etwas Zeit im Hilton, die meiste Zeit aber im Flughafen. Es war viel zu heiss, um draussen zu sein. Kurz vor 17:00 entschloss ich mich dann, jemanden anzusprechen, mir sein Telefon zu leihen. Es wurde schon langsam etwas suspekt, dass sie nicht erschienen. Der Flieger war jedenfalls puenktlich. So viele tausend Menschen waren bereits am Ausgang der international Arrivals an mir vorbei gelaufen. Ich haette schon beinahe eine fremde blonde Frau angesprungen, aber nein, es war doch nicht Julia. Kaum hatte ich auf den Senden-Knopf gedrueckt, liefen sie dann auch schon an mir vorbei. Also rannte ich ihnen wild getikulierend entgegen und schloss sie, nach mehr als zwei Jahren, endlich wieder in meine Arme, die Wartezeit hatte sich gelohnt.
Wir holten dann erstmal das Auto ab und fuhren dann nach Quincy, etwas suedlich von Boston, zum Hotel.

Julia, Emilia, Thomas und ich im Park in Boston
Am naechsten Tag machten wir einen Stadtbummel. Boston ist ja nicht schlecht, fuer eine Grossstadt, aber nach so langer Zeit in den Bergen waren fuer mich all die Modifikationen die hier an der Natur vorgenommen worden waren einfach zu viel. Wir waren zwei Tage in Boston. Ich besuchte auch noch Raul, den ich im Januar 2017 auf der Ciudad Perdida Tour in Columbien kennengernt hatte. Er wohnt hier im Hafen in einem Hausboot. Der Weg dorthin von der Innenstadt fuehrte mich entlang des Freedom Trail durch verwinkelte Gassen mit hunderten niedlichen, kleinen Bars und einem Obst- und Gemuesemarkt.
Boston Teaparty Museum
Am Strand von Cape Cod
Danach ging s weiter nach Cape Cod. Es war zwischenzeitlich zum Glueck etwas abgekuehlt und nun sehr wolkig. Wir waren in einem Motel kurz vor Provincetown und besuchten dort den National Seashore wo viele Robben und auch weisse Haie leben. Trotz der geringen Chance von einem angeknabbert zu werden, bin ich dort auf Grund der Warnungsschilder am Strand nicht ins Meer gesprungen. Man solle nicht nahe der Robben baden, um nicht versehentlich fuer eine gehalten zu werden, wie es nur wenige Tage spaeter wohl einem Surfer erging. Die Robben konnten wir aber ausgiebig beim Planschen beobachten.


Provincetown
Wir haben dann am naechsten Tag eine kleine Fahrradtour gemacht.

bis zu diesem historischen Lifeguard Gebaeude am Zipfel von Cape Cod, das erst 1977 hier her transportiert worden war. Lange war es also nicht in Betrieb.
Provincetown
Julia und Thomas wollten dann mit Emilia einen Zwischenstopp in New York City einlegen. Da diese Grossstadt wohl noch wesentlich mehr artifiziellen Wohnraum fuer zweibeinige Lebewesen beinhaltet als Boston, entschied ich mich, schonmal nach Shenandoah vorzufahren. Das stand bei den andern Dreien auch noch auf dem Programm und wir wollten uns dort drei Tage spaeter wieder treffen.
Der Weg nach Shenondoah allein war schon eine kleine Geschichte wert.
Und zwar dachte ich mir so in meinem jugendlichen Leichtsinn, dass eine noerdliche Umgehung des Grossstadtgewirrs das Einfachste sein muesste und liess mich bei Norwalk, am StateHwy 7, rausschmeissen. Keine fuenf Minuten spaeter hielt auch schon die Polizei, um mir mitzuteilen, dass Hitchhiken im gesamten Staat Connecticut verboten sei. Sie brachten mich zum hiesigen DMV (Departement for Motorvehicles), hatten aber keine Alternative fuer mich im Angebot. Wie auch, in den USA kann man ohne eigenes Auto oder Hitchhiken maximal von Grossstadt zu Grossstadt kommen, aber wenn man einmal in einem, was hier an der Ostkueste kleiner, Ort wie Norwalk ist, dann kommt man da ohne entsprechende Hilfmittel nicht so einfach wieder heraus. Also sah ich mich gezwungen, dieses, in meinen Augen nicht sehr sinnvolle Gesetz umgehen zu muessen. Ich wartete also an einer Tankstelle, bis mein, im Regen sogar noch mitleiderregenderes, Aussehen, eine nette junge Weinverkaeuferin zum Anhalten veranlasste. Sie brachte mich bis Danbury und von hier kam ich immer nur schrittweise, hoechst illegalerweise, von einer Interstateauffahrt zur naechsten. Als es dunkelte, war ich kurz davor, meine Unternehmung aufzugeben und dort, an diesem idyllischen Ort, zwischen Auf- und Abfahrt im stroemenden Regen auf der Wiese zwischen Baeumen zu zelten. Dann hielt aber doch noch jemand an und lud mich sogar nach Hause ein, wo es dann wesentlich trockenener war und schenkte mir sogar ein paar tolle selbstgemachte CDs. Sam ist Heiler und nahm sich auch meinem noch nicht ganz wieder hergestellten Handgelenk an. Inzwischen ist es so ziemlich wieder gut.
Am naechsten Tag ging es dann initial genauso schleppend weiter, sodass ich noch die Gelegenheit bekam, auch die Bekanntschaft der New Yorker Polizei zu machen. Diese war nicht so freundlich, wie ich es bei meiner bisherigen Reise gewoehnt war. Als ich sie um Hilfe fragte, legten sie zwar einen freundlicheren Ton ein, konnten mir aber trotzdem keine Alternativen verraten. Aber, wie soll das auch gehen, in einem Land, wo die Regierungsspitze sich nen goldenen A... in der Oelindustrie verdient?
Wie auch immer. Manche Gesetze sind einfach dazu da, gebrochen zu werden, und dies ist leider nicht das Einzige sehr umgehungswuerdige Gesetz in den USA. Und es ist auch sehr einfach und immerwieder lohnenswert, dies zu tun. Von meiner naechsten Mitfahrgelegenheit wurde ich dann bis ueber die Grenze nach Pennsylvania gebracht, sodass ich zumindest nicht Gefahr lief, die selben Ordnungshueter noch einmal zu treffen und die naechste brachte mich sogar, auf dem Weg nach Tennessee, den ganzen Weg bis Shenandoah. Ich kam dort erst gegen halb acht abends an und die Rangerin am Eingang berichtete mir auch sogleich, dass der Park am naechsten Tag wegen des angesagten Hurricanes geschlossen werden sollte. Ich hatte also nur eine Nacht und einen sehr kurzen Tag.
Ich wurde dann von einer Familie aufgegabelt, die wohl dachten, dass ein zu so spaeter Stund alleine durch den Wald wanderndes Menschlein wohl verloren sein muesse. Tatsaechlich hatte ich einfach keinen Zugang zum Appalachian Trail gefunden, der hier sehr nahe zum gesamten Skylinedrive parralel laeuft. Sie hatten Eine Huette fuer drei Naechte gemietet, verbrachten aber nur zwei davon darin und wollten der offiziellen Evakuierung des Parks zuvorkommen. So war die Huette gemietet aber unbenutzt und ich konnte darin schlafen.
Lewis Mountain Cabins
Lewis Mountain ist ein geschichtstraechtiger Platz, da hier das erste Mal in der Geschichte der Suedstaaten NPs durch President Roosevelt auch Schwarze zugelassen wurden. Ohnehin sehr bemerkenswert, dass die offizielle Ungleichstellung von Schwarzen und Weissen in den USA erst 1964 abgeschafft worden ist.
Am naechsten Morgen wanderte ich also frisch ausgeschlafen und geputzt los. Die Sicht war auch nicht besser als am Vortag, ca. 100 m, wenn ueberhaupt. Es verlieh dem Wald aber eine besondere Stimmung und hielt zum Glueck die Sonnenstrahlen davon ab, meine Haut noch dunkler zu faerben. Es war trotzdem verdammt warm, fuehlte sich ziemlich tropisch an. Die Zikaden zirpten laut um die Wette und ich wanderte auf dem relativ flachen Weg neun Meilen dahin und traf unterwegs Sam, Dave und Popeye. Dave wohnt ganz in der Naehe des Parks, die anderen beiden waren seine Wandergaeste. Sie hatten eigentlich auch eine mehrtaegige Wanderung geplant und mussten nun auf Alternativen ausweichen und luden mich spontan ein.
Dave hat ein riesiges, schoenes Haus ziemlich abgelegen im Wald. Wir verbrachten die Nacht dort und den naechsten Tag mit einer kleinen Wanderung im George Washington NF. Das Wetter war entgegen der Vorhersage super, Sonnenschein, kein Wind und sogar Aussicht.
Sam, Dave, Popeye und ich im George Washington National Forest
Schlange


Vom Feueraussichtsturm
Dave brachte mich dann abends nach Luray, wo ich mich im Luray Caverns Motel wieder mit Julia und Thomas treffen wollte. Die Drei hatten eine lange, anstrengende Fahrt von NY City bis Virginia hinter sich und waren erst gegen 21 Uhr oder so angekommen.
Der naechste Tag war etwas regnerisch und eignete sich gut als Hoehlentag. Wir besuchten die Luray Caverns. Die groesste von vielen Tropfsteinhoehlen in der Gegend, die, ohne die an ihr vorgenommenen Modifikationen schlicht atemberaubend waere. Allerdings entschieden sich die Besitzer, den gesamten Boden zu pflastern und so gefaehrliche Dinge wie Stalaktiten, die ueber dem Weg hingen, abzuschneiden. Es koennte ja sein, jemand stoesst sich daran. Mancheiner mag nicht auf die Idee kommen, man koenne ja auch darum herum laufen. Oder man kann vielleicht manchmal tatsaechlich nicht herumlaufen, weil zum Schutz vor Umfall, oder so, Gelaender an der Seite des Weges angebracht wurden, die dies schlichtweg verhinderten. Die noch intakten Stalaktiten und -miten darf man dann aber auch nicht anfassen, da man dadurch das ohnehin langsame, und noch durch die Trocknung der Raumluft, man kann ja schliesslich nicht die Besucher so hoher Luftfeuchtigkeit aussetzen, zusaetzlich verlangsamte Wachstum der -iten zu behindern.
Ausserdem gibt es hier auch eine Stalaktitenorgel. Diese hat Anstelle der Orgelpfeifen Stalaktiten, die von der Orgel angeschlagen werden. Leider gibt es aber nicht sehr viele Leute die diese Orgel spielen koennen, laut Fuehrerin nur zwei derzeit lebende, sodass es nur einen kleinen Ausschnitt der Musik auf Knopfdruck gibt.
Da der Hurricane nicht bis Virginia kam, war der Park am naechsten Tag wieder geoeffnet. Auch wenn die Sicht groesstenteils keine Weitblicke zuliess, war es doch wunderschoen, auf dem Skylinedrive durchzufahren. Wir legten zwei kleine Wanderungen ein und erklommen sogar den hoechsten Berg des Shenandoah NPs. Da ich meinen Rucksack im Motel gelassen hatte, brauchte ich ein Ersatzgewicht. Dieses ist zwar etwas leichter als mein bisheriger Begleiter, eignete sich aber sehr gut. Und, wenn man kein Elter ist, dann ist es doch sehr komisch, wenn nach monatelangen Monologen mit meinem blauen Schildkroetenpanzer der Rucksack auf einmal anfaengt zu plappern und sich zu bewegen. Er, also sie, Emilia, hatte ganz schoen viel zu sagen, wird aber in naeherer Zukunft noch an der Aussprache arbeiten.
auf dem Gipfel von Hawkesbill Mountain 1235 m
Dabei fragt man sich natuerlich hin und wieder, warum man sich immer solch unglaublichen Strapazen aussetzt, wo es doch auf vielen Bergen gleich aussieht, einfach weiss.
Bei der weiteren Fahrt auf dem Skylinedrive klarte es dann aber doch noch etwas auf und wir konnten den Blick ueber die gruene Huegellandschaft geniessen, die mich sehr an meine temporaere Heimat im gruenen Herz Deutschlands (seit wann sind Herzen gruen? Ich meine natuerlich Thueringen, aber wer schonmal der entzueckenden Stimme Rainald Grebes gelauscht hat, weiss ja, wovon ich rede) erinnerte.


Am 16.08. sollte es dann nach Washington DC gehen. Ich hatte eine Busfahrt zurueck nach Boston gebucht. Um 14:30 Uhr war geplante Abfahrt. Wir starteten um elf vom Hotel und wer mich kennt, weiss, dass ich nix mehr hasse als Langeweile und sinnloses Rumhaengen an Busbahnhoefen. Also kam ich auf die chlorreiche Idee (warum das eigentlich so heisst, weiss ich auch nicht, vielleicht, weil es den Anschein macht, als waere mein Gehirn mit Chlor gebleicht? Oder heisst es vielleicht kloreich?), unterwegs noch einen Weingarten zu besuchen. Das Schild am Highway liess vermuten, dass sich dieser nahe der Ausfahrt befinde, war aber nich so. Da wir, mangels erschwinglicher Alternativen, bisher dazu gezwungen waren, californischen Wein zu trinken, wollte ich zumindest einmal vor Verlassen des Staates Virginia lokalen Wein probieren.
Dies, zusammen mit meiner unausgereiften Faehigkeit der Autofahrernavigation, fuehrten dann dazu, dass der Buss ca. eine halbe Minute vor meiner Ankunft, puenktlich nach Fahrplan, wer haette das gedacht, den Busbahnhof in Washington CD verliess. Da wir aber auch dieser geringen Chance der Puenktlichkeit des Greyhoundbusses ins Auge gefasst hatten, zirkelten Thomas und Julia mit Emilia noch vor dem Bahnof umher. So konnte ich ihnen, unter lautem Gehupe der ungeduldigen anderen Verkehrsteilnehmer wenigstens noch einen Kuss geben.
Ich bekam die Fahrt ohne weitere Kosten auf den naechsten Bus, der nur zwei und eine viertel Stunde spaeter fuhr, gewechselt. Der war dann natuerlich nicht puenktlich, aber egal.
Um zwei Uhr morgens kam ich in Boston an. Raul und sein Papi holten mich aber trotzdem (vielen Dank dafuer) vom Bahnhof ab.
Am naechsten Tag war es mal wieder super heiss und sonnig in Boston, ausserdem windstill und somit nicht so sehr gutes Segelwetter. Wir verbrachten den Tag mit Einkaufen und lecker vegan Grillen  und Brot Backen auf Rauls Hausboot. Am naechsten Morgen war es dann recht bewoelkt mit angenehmen Temperaturen. Wir wollten Richtung Norden segeln. Das klappte zunaechst auch ganz gut. Irgendwann fing es an zu regnen
Charlestown Marina
Es wurde immer stuermischer und regnete mehr und mehr. Es war kein Land mehr in Sicht, der Wind nahm von 20 auf 50 Meilen pro Stunde zu und drehte sich waehrenddessen um 180 Grad. Ich war ja etwas besorgt, dass das Segeln langweilig werden wuerde, es war aber tatsaechlich nicht langweilig. Als der staerkste Sturm verueber war, segelten wir Richtung Land, was dann wieder sichtbar war. Nicht dorthin, wo wir eigentlich hin wollten, sondern in den naechsten Hafen. Das war in Salem, etwas noerdlich von Boston, eine niedliche kleine Stadt wo wir Kegeln und Pizza essen gingen.
Am naechsten Tag ging s zurueck nach Boston, Rauls Papi hatte am naechsten Morgen seinen Rueckflug nach El Paso.
Wir segelten dann Richtung Sueden. Alles noch innerhalb der Massachusetts Bucht. Der Tag war etwas sonniger, die Wellen hoch und sorgten auch diesmal dafuer, dass das Segeln nicht langweilig war.
Als wir in Scituate ankamen, ging die Sonne schon fast unter. Wir ankerten diesmal an einer Boje. Es gibt ein Wassertaxi, das ist im Ankerpreis mit inbegriffen, das einen vom Boot abholt und an Land bringt und spaeter wieder zurueck.



Am naechsten Tag ging s wieder nach Boston und von da, am darauffolgenden Tag, mit zwei Freunden von Raul, Lea und Indo, wieder nach Salem. Jede Segeltour dauerte ca. 4 bis 5 Stunden.
Von Salem ging s diesmal nach Durham, New Hampshire. War dann doch mal Zeit, wieder festen Boden unter den Fuessen zu haben.

Puenktlich zum Herbstanfang am 22.09.2018 bin ich in der niedlichen kleinen Unistadt Durham angekommen. Garrett, den ich im July beim Hitchhiken Richtung Jackson, WY, kennengelernt hatte, studiert hier und wohnt auf dem Campus. Durham ist ein verschlafenes kleines Nest und die Campus Gebaeude aus rotem Backstein, ruhig und mit vielen Baeumen. Die Mensen sind Gourmetrestaurants im Vergleich zu unseren. Es kostet ca. 25 000 Dollar pro Semester, hier zu studieren, Unterkunft und Essen so viel man will, ist aber inkludiert.
Ganz in der Naehe ist eine der bestern Kletterregionen der USA, in Rumney. Hier verbrachten wir den ganzen Tag gemeinsam mit drei Kumpels von Garrett. Auf dem Weg pflasterten tote Eichhoernchen den Highway. Das Wetter war perfekt, sonnig, aber trotzdem nicht zu heiss. Noch sind die Blaetter gruen, man sieht aber schon etwas gelb und rot an einigen.

Eingestellt von Katrin

1 Kommentar:

  1. "chlorreich" Oh Gott. Meint sicherlich "glorreich", ein Adjektivme meist ironisch mit der Bedeutung großartig, glanzvoll. Aus dem lat. glorificare „verherrlichen“, gloria „Ruhm“
    Siehe auch Glanz und Gloria

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