Update Lawinenmedizin und Kälteschäden Januar 2022



Update Lawinenmedizin und Kälteschäden 19.-23.01.2022


Auf den Kurs am Brenner hatte ich mich schon lange gefreut. Bis zum Schluß blieb es spannend, ob er
wegen der angespannten Coronalage überhaupt stattfinden könne. Dank der aufopferungsvollen
Vorbereitungen der Veranstalter stand dem dann nichts mehr im Wege und es konnte losgehen. Auf
in den Schnee!
In Innsbruck herrschten frühlinghafte Verhältnisse und auch Richtung Süden wurde es nur wenig
weißer. Auf 1386 m liegt der Humler Hof. Für diese Bedingungen der optimale Ausgangspunkt für
einen Lawinenkurs in spärlicher Schneelage und mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar.
Es war eine gemütliche Runde, die sich am Abend des 19.01.2022 traf und es gab schon erste
spannende Vorträge. In Sechser-Gruppen, deren Einteilung über den Kurs beibehalten wurde, zogen
wir am nächsten Morgen los, LVS-Suche und Lawinenverschüttetenausgrabung gezielt und unter
Anleitung zu üben.
Pünktlich stellte sich das Wetter ein und bereitete uns die besten Bedingungen für ein solches
Vorhaben: Schnee, wenig Sicht, dafür aber viel Wind. Es wäre ziemlich kalt geworden, hätten wir
nicht enthusiastisch arbeiten müssen.
Die spannenden, abendlichen Vorträge wurden unterbrochen vom liebevoll zubereiteten, üppigen
Abendmahl.
Die nächsten Nachmittage und Abende wurden wir bereichert mit Vorträgen, bei denen wirklich
niemandem ein Auge zufiel. Nicht nur die Lawinenverschüttetensuche selbst, sondern vor allem die
Vermeidung der Notwendigkeit deren Anwendung aber auch der Umgang damit, dass das Suchen
und Finden der Opfer nicht immer zu einem glücklichen Ausgang führt, wurden aus verschiedensten
Sichtweisen beleuchtet. Wir bekamen Einblicke in die Vermisstensuche mittels Hubschrauber und
mit Hilfe von Lawinenhunden sowie eine Idee, wie man seinen vierbeinigen Freund in mühevoller
Kleinarbeit zur ambitionierten Suche Verschütteter Personen animieren könnte. Außerdem das
Erkennen und die Therapie von lokalen Kälteschäden sowie Hypothermie und wie man es anstellt,
auch in den kältesten Regionen keine kalten Füße zu bekommen.
Krieg hat ja bekanntlich nicht viel Gutes, doch kann man sich aus der Militärgeschichte zu effizienten
Strategien in der Verletztenversorgung inspirieren lassen. Nicht immer muss man das Rad neu
erfinden. Napoleon schon und Hannibal hatten gute Ideen und auch die NASA. Von ihr kam die
Entwicklung der Rettungsdecke, die, spätestens nach diesem Kurs, in jedem Rucksack vorhanden sein
sollte. Mindestens fünf unerlässliche Ausrüstungsutensilien können phantasievoll durch sie ersetzt
werden.
So spaßig die Sache während der Übung ist, darf man nicht vergessen, welche Traumata bei
Betroffenen, Beteiligten und/oder Angehörigen nach einem Lawinenunfall entstehen können. Die
Exkursionen in die Psychologie waren nicht nur extrem spannend, sondern holten uns auf den Boden
der Tatsachen herab.
Leider konnten nicht alle Vortragenden persönlich anwesend sein. Aber auch die Life-Übertragung
des spannenden Vortrags über Kälteschäden ließ uns nicht kalt.
Sehr zeitig zwar starteten die Kurstage, dafür ganz gemütlich mit Covid-Abstrich-Ritual und
anschließendem, ausgiebigem Frühstück. Es folgte die Besprechung des Wetters, die genaue Analyse
der aktuellen Lawinensituation und die Tourenplanung.
Vom Wetter übervorteilt waren unsere praktischen Übungen. So konnten wir gleich live und in
schwarz-weiß auskundschaften, wie man Entscheidungen bei Neuschnee trifft ohne die
Gefahrenzeichen auf Grund mangelnder Sicht optisch wirklich beurteilen zu können. Wie reduziert
man die Belastung der Schneedecke im steilen, lawinengefährdeten Gelände? Und vor allem, bloß
nicht stürzen! Denn dann ist die Belastung sehr hoch.
Sogar am letzten Kurstag hielt der Wetterbericht, was er versprach. Bei Aufbruch tapsten wir noch
durch dichte Nebelschwaden, alsbald aber klarte es auf und kurz darauf schon blendete uns die
Sonne. Weit eröffnete sich der Blick über die wild-romantische Brennerregion. Viel Zeit zum
Landschaftbestaunen sollten wir jedoch nicht haben. Ein Großszenario wurde nachgestellt, mit
Mehrfachverschüttung. Nun mussten wir lernen, dass auch noch so gute Fähigkeiten in Ortung und
Ausgrabung nur wenig wert sind, wenn eine gescheite Organisation fehlt. 10 for 10 lautet das
Sprichwort. Erst überlegen, dann Aufgaben verteilen und beherzt handeln.
Selbst wenn bis hierher alles gut ging, immer noch gibt es Fallen. So kann der Verunglückte zu guter
Letzt am Bergetod sterben. Diesen gilt es zu vermeiden und das muss geübt sein. Am besten tut man
dies mit einem freiwilligen Opfer das sich einbuddeln läßt.
Ich bin ja kein Weichei, aber ich kann euch sagen, nach einer Weile regungslosen Umherliegens im
Schnee, wird es echt kalt. Dann ist man froh, wenn man im Anschluß selbst auch noch ein bisschen
graben kann.
Nach der Abfahrt zum Humlerhof und dem wohlverdienten Kaffee und Kuchen waren wir nun
angehalten, all unser gelerntes Wissen auf Papier zu bannen. Ich denke, jeder von uns ging aus dem
Kurs schlauer als zuvor hervor. Eine sehr gelungene Veranstaltung von der alle Teilnehmer noch
lange profitieren werden. Danke!





Auf dem Gipfel der Scheibenspitze

 

Eingestellt von Katrin

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