Kirgistan - Pamir - Peak Leipzig, Peak Saxonia und Peak Lenin

 Piks Saxonia und Leipzig

 Waehrend meiner Reisevorbereitung hatte ich saemtliche Karten die ich von Central Asien und Nepal ergattern konnte, gekauft. Eine meiner Lieblingskarten, abgesehen von der Alpenvereinskarte der Enylchek Gegend, ist die (leider nur 1 : 100 000) Pamir Karte von Dr. Rolf Boehm  aus Bad Schandau, zu Ehren der Expedition des Leipzigers Ralf Brummer und seines Teams 1989 und 2012 die damals die beiden Berge bestiegen die sie nach ihrer Heimat Pik Leipzig und Pik Saxonia nannten. 

Niemand hier scheint diese beiden wunderschoenen Berge zu kennen. Als ich das Grenz Permit fuer Enylchek und Lenin bei Ak Sai beantragte, und ihnen von meinem Vorhaben, diese beiden Berge zu besteigen erzaehlte, hoerten sie das erste Mal davon. 

Sewa, den ich in Almaty gleich an meinem zweiten Tag in Asien getroffen hatte, kam puenktlich am 11.07. morgens in Bishkek bei Evgenii und Eliza an und wenig spaeter machten wir uns auf den beschwerlichen Weg nach Osh. Minibusse fuhren nicht, dafuer shared Taxis, was hier sehr ueblich und auch sehr guenstig ist. Durch wunderschoene Taeler, ueber hohe Paesse fuehrt die Strasse, entlang eines langen, blauen, teils sehr weiten Flusses der zwischenzeitlich die Gestalt eines sehr langgezogenen Sees, eingebettet in steilen Felsen, annimmt. Nicht nur uns, auch dem alten Mercedes wurde zwischenzeitlich zu heiss und mehrmals mussten wir stoppen, um die Kiste abkuehlen zu lassen. Was natuerlich bei gefuehlten 50 Grad Celsius im Schatten wenig effektiv ist.

Erst spaet abends kamen wir daher in Osh an. Trotz dem meine Reservierung irgendwie nicht funktioniert hatte, bekamen wir trotzdem zwei Bettchen in einem klimatisierten vier Bett Zimmer im Park Hostel. An dieser Stelle muss ich es fuer seine Sauberkeit loben. Hier ist eine Frau, die wirklich ununterbrochen alles putzt. Kueche, Bad, Zimmer, Aussenbereich, alles blitz blank. Internationales Publikum von Rad-, Motorradfahrern, Fussgaengern und Benutzern oeffentlicher Verkehrsmittel macht den Ort sehr unterhaltsam.

Nachdem wir uns auf dem Osh Bazar mit kiloweise leckerem Essen fuer drei Wochen eingedeckt hatten, machten wir uns alsbald auf den Weg Richtung Sueden, per Anhalter. Es funktionierte ausgesprochen gut. Eine grosse Hilfe war natuerlich Sewas russische Muttersprache. Nur sehr selten kam es vor, dass wir jemanden trafen der ausschliesslich kirgisisch sprach. Zum Schluss wurden wir von einem LKW-Fahrer mitgenommen, der seinen leeren, trotzdem schwarzen, Lastwagen Richtung Kohlegrube fuhr. Wir beiden sassen im Fahrerhaus, die Rucksaecke hatten es nicht so gut, v.a. Sewas, der war vorher weiss. Die Schwester des Fahrers wohnt in Kaschka Suu, in dem Ort, den wir uns als Zwischenlager ausgesucht hatten, und ist dort Russischlehrerin. Nach einem kurzen Telefonat holte sie uns von der Tankstelle ab und bot uns an, ein paar Dinge bei ihr zwischenzulagern. Schliesslich brauchten wir ja nun nur die Haelfte des gehamsterten Essens. Zehn Tage hatten wir fuer Leipzig und Saxonia geplant. 

Peak Lenin von Kaschka Suu aus gesehen.

Pik Leipzig in der Mitte, Saxonia rechts davon

Warum auch immer gibt es in Kaschka Suu kein Hostel. Nur 20 km weiter, zurueck Richtung Osten, in Sary Mogul, gibt es mehrere Gasthaeuser. 

Noch am gleichen Abend gingen wir weiter und fanden an der Eingangsstrasse zum Pik Lenin eine tolle Uebernachtungsstelle. Am naechsten Tag bis Achik Suu trampen war wieder einmal super problemlos. Die kleinen Orte hier sind wesentlich ordentlicher als alle die ich bisher in Kirgistan gesehen hatte. Huebsche Lehmhaeuschen die mich an die durch die Tuarek zerstoerten Unesco Welterbebauten in Mali erinnerten fuegen sich harmonisch in die Steppenlandschaft. Menschen in traditioneller Kleidung fragten verwundert wo wir denn hin wollten. Viele Touristen sieht der Ort anscheinend nicht. 

 

Pik Saxonia direkt ueber Sewas Rucksack

Pik Saxonia

Zunächst führte eine Schotterpiste bis zu auf saftigen Wiesen verstreuten Jurtensiedlungen Richtung Süden. Im Tal bäumte sich mittig ein Hügel auf, von zwei Flüssen umspült. Laut Karte ergaben sich aus dem rechten zwei Seen. Diesem folgten wir und mussten auch zweimal durch den reissenden Strom hindurchwaten, die Seen waren jedoch nicht zu finden. Da Sewa von der US Ostküste angereist war, wollten wir zunächst etwas niedriger schlafen und fanden einen idyllischen Platz direkt am Fluss. Nachdem wir die Zelte aufgebaut hatten, gingen wir noch ein Stueck weiter und gelangten auf eine ueppig mit bunten Blumen uebersaete Anhoehe von der aus wir nun die beiden Seen sehen konnten. 




Nicht dort, wo sie auf der Karte eingezeichnet waren, sondern auf dem zentralen Buckel, eingebettet in gruene Wiesen. Yaks suchten Abkuehlung im frischen Nass. Unser erster Zielberg, Pik Saxonia, baeumte sich im Abendlicht rot leuchtend vor uns auf, bedeckt von einem riesigen Gletscher. Die Blumenwiese sollte unser zweiter Uebernachtungsplatz werden. Von hier brachten wir am naechsten Tag wieder einige Sachen weiter bis ins Basecamp, das wir etwas hoeher einrichteten als es auf der Karte eingezeichnet war. 



In das abgelegene Tal setzt anscheinend selten jemand einen Fuss. Nur eine Jakmami mit Baby trafen wir hier an. Eine Woche lang bekamen wir keinen Menschen zu Gesicht. Das Basislager ist suedseitig von einem Amphitheater aus Fels und Eis eingeschlossen. Gerade noch im Gruenen errichteten wir unsere Zelte, im Schutze grosser Felsbrocken. Schwaerme laestiger Fliegen stoerten die Idylle und versuchten, in Augen, Ohren und Nasenloecher einzudringen. Die Abendsonne tauchte die noerdlich des weiten Tals tief unter uns aufragende Altai Bergkette in brennendes Licht. 


 




Ungefaehr zweihundert Meter unterhalb des Sattels zwischen Saxonia und Leipzig deponierten wir etwas Ausruestung und stiegen dann wieder ins Basislager ab. Auf der Karte wirkte der Aufstieg so steil, dass ich zunaechst beim Anblick der massiven Nordwand erschrak. Aber es ging links um die Ecke und dort entlang der Gletscherzunge nach oben. Immer noch steil, aber gut gehbar im Schnee. Ganz langsam, Schritt fuer Schritt. Die Querung nach rechts knapp unterhalb des Sattels war etwas eisig und ausgesetzt und schien sich ewig in die Laenge zu ziehen. Irgendwann aber kamen wir oben an. Wir befanden uns etwas noerdlich oberhalb des Sattels, nicht weit vom Pik Saxonia Gipfel auf 5200 m. 

 


Hier sollte fuer den 16. und 17.07. unser Hochlager sein. Zunaechst liessen wir unsere Rucksaecke zurueck und stiegen weiter zum Pik Saxonia auf 5345 m auf. Weit war es nicht, aber der Gang ueber den nur minimal ansteigenden Schneehang zog sich schier ewig in die Laenge. Schwere Wolken verhangen groesstenteils die Sicht. Trotzdem konnten wir von hier oben nun erkennen, dass unten, gleich gegenueber unseres zweiten Lagers, ein tuerkisblauer See in einer Grube leuchtete. Trotz der Naehe hatten wir ihn vor zwei Tagen dort nicht sehen koennen und auch in der Karte ist dieser nicht verzeichnet. 


Pik Leipzig vom Sattel aus gesehen
 

 




Sewa auf dem Weg zum Saxonia Gipfel, Leipzig im Hintergrund

Auf dem Rueckweg schulterten wir unsere Rucksaecke und hielten Ausschau nach einem geeigneten Fleckchen. Einige schneelose Schotterfelder gefielen Sewa besonders gut. Trotz meiner Einwaende, die Steine wuerden den Zeltboden zerschneiden, liess ich mich letztlich ueberreden, das Zelt auf einem dieser zu platzieren. Schliesslich sollte ein Zelt fuer fast 2500 Euro doch etwas aushalten, so sein Argument. Leider hatte diesmal ich Recht. Nicht nur der Zeltboden ward löchrig, auch meine Isomatte verlor erneut Luft, nachdem ich sie erst bei der Reparatur hatte und nun das erste Mal seit dem in Benutzung. Auch dies nicht das billigste Modell von Thermarest. Aber nicht nur das. Noch schlimmer war, dass wir am naechsten Tag, unserem Entspannungstag an dem wir lediglich einen kleinen erneuten Ausflug auf Saxonia unternahmen, beide Zeltstangen gebrochen vorfanden. Beide an der exakt gleichen Stelle am Dach, so dass sie nicht nur das Zelt selbst sondern auch das Atrium an dieser Stelle perforierten. Es war nix. Ueberhaupt nix. Kein Wind, kein Baer der sich haette darauf setzen koennen, einfach nix. Ich war ziemlich wuetend, das brauche ich vielleicht nicht zu erwaehnen. Jahrelang habe ich hin und her ueberlegt welches Zelt ich fuer meine Unternehmung kaufen sollte. Es sollte leicht sein, ja, aber fuer diesen Preis haette ich mir zusaetzlich auch eine gewisse Robustheit erwartet. Schliesslich habe ich ein Expeditionszelt gekauft. Expeditionen sind nun keine Spaziergaenge bei denen immer bestes Wetter herrscht. Da es nun zum Glueck die gesamte Zeit sehr windstill war, stand das Zelt weiterhin in seiner nun verkuemmerten Form in der idyllischen Landschaft waehrend wir beide uns einen Weg zum Leipzig Gipfel ueberlegten. Mit dem Telefon machte ich ein Foto und so konnten wir die Aufstiegsroute gut diskutieren. Wir entschieden uns fuer die kuerzeste Variante entlang der Nord-West-Flanke. Die anderen Varianten waren von gewaltigen, ueberhängenden Eisflanken geziert.



Am nächsten Morgen starteten wir kurz nach Hellwerden gegen fünf Uhr. Tatsächlich war der Weg kürzer und einfacher als er von Weitem schien und nach nur drei anstrengenden Stunden fanden wir uns auf dem aussichtsreichen Gipfel wider.




Lenin leicht versetzt links der Mitte.
 

Die letzten ca. 150 Hm waren eine Qual. Mit jedem Schritt versank ich bis mindestens zum Knie. Das alles war dann oben wieder vergessen. Nach Süden hin erhoben sich die zerklüfteten, steilen Eisriesen Tajikistans und im Osten hatten wir nun Ausblick auf den unheimlich langen, aber recht seichten Gipfelgrad des Pik Lenin. Es war einigermaßen windstill. In eine Wächte schaufelte ich eine gemütliche Couch. So sassen wir ungefähr eine Stunde lang auf dem Gipfel des Pik Leipzig in der Sonne und ergaben uns in die atemberaubende Aussicht auf die massive Pamirgebirgskette. Besser hätte es nicht werden können.

Den habe ich zum Abschied von meinen netten insbrucker HN-Kollegen geschenkte bekommen.


Da es unter der Sonneneinstrahlung allerdings unheimlich heiß wird, konnten wir nicht ewig bleiben, schließlich wollten wir noch im festen Schnee wieder absteigen. Auf dem Sattel angekommen, wurden wir in eine Nebelwolke gehüllt die zwar die Sonnenstrahlen kaum, dafür aber die Sicht abschnitt.

 





Nach einer langen Rast packten wir unsere Sachen und waren wenige Stunden später wieder bei den Flieben im Basislager. Unser zum Trocknen ausgelegter Jakdung wollte diesmal leider nicht brennen. Einmal hatten wir es geschafft, unter zu Hilfenahme einer Kerze. Trotz aller Geduld wollte es diesmal nicht funktionieren.




Der Rückweg führte uns nun, nachdem wir die Seen von oben haben orten können, direkt an diesen vorbei. An allen drei. An dem blauen legten wir eine Badepause ein. Vielleicht kam die seltsame Farbe durch Kupfer oder sonst etwas Giftiges zustande. Jedenfalls waren hier weder Tiere noch Pflanzen zu finden. Die anderen beiden waren mit Wasserpflanzen ausgefüllt und Enten tummelten sich darauf. Die Ufer erblühten in den schönsten Farben.





Der Weg nach Achik Suu zog sich wieder etwas in die Länge. Von hier wurden wir umgehend von einer Familie bis zum Pamir Highway mitgenommen und gelangten am frühen Abend nach Sary Mogul wo wir ein nettes kleines Hostel fanden in denen ein Spanier und ein Schweizer ausser uns die einzigen Gäste waren. Die junge 16 jährige, sehr geschäftige Besitzerin hatte offensichtlich sehr großen Spaß an der Abwechslung und ich weiß nun auch, warum viele Häuser gebrochene Fensterscheiben haben und es so oft Stromausfall gibt. Die Familie zwang leidenschaftlich ihre Gäste, mit ihnen Volleyball zu spielen. Allerdings direkt unter der Stromleitung und dicht neben dem Haus, so dicht, dass das Haus ein integraler Bestandteil des Spiels war. Dass diesmal nichts weiter zu Bruch ging, wunderte mich sehr.


Nach dieser netten Rast machten wir uns allsgleich weiter, packten in Kaschka Suu unsere restlichen, deponierten Sachen und hatten nun immer noch so viel Essen, dass wir einiges davon fuer die nette Familie zurueck lassen konnten.

Pik Lenin



Am Beginn der Strasse, die laut überdimensionierter Beschilderung zum Lenin Basecamp führen sollte, gaben wir nach zwei Stunden des schattenlosen Wartens in brütender Hitze unsere Geduld auf und begannen zu gehen. Nun sah die auf OSM eingezeichntete Hauptstrasse gar nicht so befahren aus. Anscheinend gab es mindestens drei Möglichkeiten. Am liebsten hätte ich weiter am Eingang gewartet, allein, da es die nächsten 20 von 35 km keine gute Wasserquelle zu geben schien. Sewa ließ sich jedoch nicht überreden und schlug, welcher Logik auch immer folgend, die am wenigsten befahrene Strasse ein. Unter Gluthitze mit einem halben Liter Wasser für uns beide bewaffnet, gingen wir für Stunden, ohne unserem Ziel wirklich näher zu rücken. Bis wir auf einen jungen Mann auf einem hübschen Hengst stießen der seine Schafherde hütete. Umgehend informierte er einen Freund der dann mit seinem Jeep eine halbe Stunde später eintraf. Nach weiteren eineinhalb Stunden auf unwegsamer Schotterpiste die teilweise durch Flüsse und über steile Hügel führte, kamen wir im Jurt Camp Gulburak an.

 




Trotz dem ich mir das Basecamp sehr groß vorgestellt hatte, war ich erstaunt über seine tatsächlichen Ausmasse. Anscheinend korrellieren diese mit der Hoehe des Berges. Selbst das Aconcagua Basecamp ist in meiner Erinnerung wesentlich kleiner. Die verschiedenen Agenturen hatten jeweils ein eigenes Camp aus meist großen, gelben Zelten. Am Eingang fanden sich bunt gestrichene Holzbaracken im unverkennbaren Sowjet Ferienlager Stil. Die Wahl unseres Fahrers war anscheinend auf das einzige, von Einheimischen betriebene, sehr hübsche, kleine Camp seiner Freunde gefallen. Mein Zelt wurde temporär berentet. Ab nun musste Sewas Big Agnes Sommerzelt als unsere Behausung herhalten.














Beim Höhenbergsteigen verbringt man zwangsweise viel Zeit mit Ausruhen. Wir starteten also zum Camp 1 nicht sehr früh nach einer entspannten Nacht. Bei den beiden vorherigen Bergen hatte Sewa, trotz dem er gerade von der US Ostküste aus Massachusetts angereist war, erstaunlich gut durchgehalten und sich anscheinend gut akklimatisiert. Trotzdem wollte ich langsam machen, man muss ja sein Unglück nicht herausfordern. Bis zum Travelers Pass war es nicht sehr weit. Ich erstieg einen kleinen, angrenzenden Hügel mit fantastischer Aussicht auf die umliegenden, in allen Regenbogenfarben leuchtenden Berge und die gewaltige Gletscherzunge des Leningletschers. Von hier aus bis Lager 1 war es wesentlich weiter, als es auf der Karte aussah. Im Gegensatz zum Basislager erschreckten mich Lager eins und zwei mit ihren Müllansammlungen. Bis Lager 1 erfolgt die Versorgung der Mehrheit der Bergsteiger durch Pferdetransport. Der Abtransport allerdings, scheint massive Mängel aufzuweisen. Wie die kleinen Pferde schwer beladen die schmalen Wege an tiefen Abgründen entlang, zusätzlich mit peitschenbewaffneten "Reitern" balancieren können, bleibt mir weiterhin, auch nachdem ich es selbst gesehen habe, ein Rätsel.



Lager 1

Vom Lager 1 aus war nun der schwierigste Teil des Anstiegs über einen großen Eisbruch gut einsehbar. Der nach oben folgende Wegteil zierte den spaltendurchzogenen Gletscher gerade nach oben und traversierte schließlich nach rechts über die frying pan genannte Ebene bis zum Lager 2. Wir brachen zwar zeitig auf, bekamen deren Hitze jedoch gnadenlos zu spüren. Sewa schien es nicht sehr zu stören. Mich jedoch haute es vom Hocker. Wir hatten am Beginn des Weges einen Freund von ihm getroffen, der, gesponsert von Camp, dort oben eines dieser Zelte im Lager 2 zurück gelassen hatte. Er wollte zum Lager 1 absteigen und am nächsten Tag nach kurzer Rast in seinem Zelt zum Lager 3 und weiter am nächsten Morgen zum Gipfel. Er bot uns an, sein Zelt zu nutzen. Ein Angebot, das uns nur zu Recht kam. 

Die Nacht war die Hölle. Super heiß und nun hatte ich auch Kopfschmerzen. Ich schob es eher auf die Hitze als auf die Höhe und schlug vor, einen Entspanungstag einzulegen und eine weitere Nacht im Lager 1 zu verbringen. Wir gingen diesen Tag ohne Gepäck bis zum nächsten Pass auf 5770 m, vorbei an Lager 2.5. 

 



Anscheinend ist dieses sehr von Wind gebeutelt. Drei zerfledderte Zelte waren da vor wohl längerer Zeit zurueckgelassen worden. Eines davon hatte noch intakte Zeltstangen, teils im Eis festgefroren. Wir entfernten so viel als moeglich. Wie sich spaeter herausstellen sollte, passten sie perfekt als Ueberbrueckung ueber die Bruchstellen meiner zerborstenen Carbonstangen.

Als wir am naechsten Tag all unsere Sachen schulterten und Richtung Lager 3 aufbrachen, gestand mir Sewa, der mittlerweile sehr langsam geworden war, dass er nicht weiter als bis zu unserem Pauseort auf 5770 m gehen koenne. Seine Gipfelambitionen waren auch nicht sehr ausgepraegt. Er hatte entdeckt, dass das Hoehenbergsteigen nichts fuer ihn war und da es ihm nicht so gut ging, teilten wir die Essensvorraete auf. Ich uebernahm sein Zelt und den Kocher. Er konnte eine weitere Nacht im Zelt seines Freundes in Lager 2 verbringen und dann mit diesem gemeinsam am naechsten Tag ins Basislager absteigen.



Gipfelanstieg

Die zweite Haelfte des Weges zum aussichtsreich gelegenen Lager 3 war eine Qual, aber auch diese konnte ich nach weiteren eineinhalb Stunden hinter mich bringen und war trotz der Verzoegerung noch vor 14 Uhr dort angelangt. Das kleine Zelt baute ich in einer schon ausgehobenen tiefen Schneegrube auf. Nach einigen Smalltalks mit den Nachbarn und einem leckeren Erdnussbutter Oatmeal legte ich mich gegen 17 Uhr schlafen, um dann halb ein Uhr morgens frisch und munter in die stuermische aber sternenklare Nacht zu starten. 

Drei Gruppen waren bereits vor mir, unter ihnen Summit Climb, eine deutsche Gruppe. Sie waren eine halbe Stunde vor mir gestartet. Ich hatte nicht gedacht, sie einzuholen, war aber nach ungefaehr einer Stunde an allen vor mir gehendenden Bergsteigern vorbei gegangen und nun ganz allein in der schwarzen Nacht. Der Weg zickzackte zunaechst unuebersehbar den Bergruecken entlang nach oben. Der Wind und mit ihm die Schneekoerner peitschten mir aus suedlicher Richtung immer, wenn sich der Weg nach rechts wand, ins Gesicht. Gluecklicherweise hatte ich meine Neoprengesichtsmaske und meine Daunenhose sowie Daunenhandschuhe an. Leider keine Augenbedeckung. Spaeter, nach meiner ersten Dusche in Osh, fand ich deutliche Spuren der Schneeraspel in meiner rechten Jochbeingegend. Nachdem der Weg erst abflachte, steilte eine senkrecht wirkende, aber mit einem Fixseil versehene Schneeflanke vor mir auf. Der Schnee war gut trittfest und auch der Pickel liess sich gut hineinschlagen und ich denke, alle Nachfolgenden haben sich ueber meine Spurarbeit gefreut. Immer wieder sah ich mich um und sah niemanden hinter mir. Beinahe schon dachte ich, die anderen Gruppen waeren wegen des Sturmes umgedreht. Irgendwann aber sah ich in der Ferne die Scheine einiger Stirnlampen. Es erleichterte mich ein wenig, obwohl ich sehr dankbar ueber den Frieden des allein durch die Nacht gehens war.











Im weiteren Teil stiess ich wieder auf Fels und auf etwas, das aussah wie der Gipfel, aber es nicht war und auch der naechste nicht und der uebernaechste. Dafuer wurde ich mit einem fantastischen Sonnenaufgang belohnt. Immernoch fegte der Schnee in hoher Geschwindigkeit ueber die ausgesetzte Bergflanke. Nun nur ein leichter Anstieg, dafuer lang. Mein Handyakku hatte den Geist aufgegeben aber ich wuerde sagen, hier muss die 7000 m Marke gewesen sein. Meine Bewegungen wurden zunehmend anstrengend. Es war uebel. Immer wieder musste ich pausieren. Aber schliesslich war ich ja nicht zum Spass hier, sondern, um meine Faehigkeit zu leiden auszubauen. OK, das war ein Erfolg.

Die nepalesischen Gebetsfaehnchen, die den Gipfel zieren, konnte ich bereits sehen. Ja, ich war sogar ganz nah. Trotzdem waren sie noch unheimlich weit entfernt. Und dann, dann war ich endlich oben. Die Sicht war traumhaft. Ich trank einen Tee. Immer noch war es sehr windig, aber nun, nach Sonnenaufgang viel besser. Ich ging umher, machte Fotos. Tajikistan von oben. Schroffe, senkrechte, von broeckeligem Zuckerguss ueberzogene Felsflanken. Es sah so unwirtlich aus. Im Norden sogar die Alai Berge klar umrissen sichtbar. Die rote Farbe der sanfter werdenden Huegel, wie von purpurnen Laken ueberzogen. Traumhaft. Mit dem Pickel schaffte ich mir an einem Steinhuegel einen windgeschuetzten Sitz und wickelte mich in meinen Biwaksack. Die mitgebrachten Nuesse und Erdnussbutterbrot waren trotz der Hoehe ein Hochgenuss. 








Eigentlich wollte ich fuer mein Gipfelfoto auf die naechste Gruppe warten, aber sie kamen nicht, jedenfalls nicht so bald. Wie spaet es war wusste ich nicht, aber sicher verbrachte ich ueber eine halbe Stunde auf dem Gipfel des 7134 m hohen Pik Lenin.

Der Abstieg war leicht und schnell. Bis zum Sattel auf ca. 6000 m. Dann folgte der gefuerchtete Gegenanstieg von 150 Hm bis zum Camp. Aber auch das war irgendwann geschafft. 





Eigentlich wollte ich mich eine Stunde ausruhen. Im Zelt aber war es viel zu warm. Neben mir richtete sich ein steirischer Wahlinsbrucker ein, der mir anbot, mein Zelt mit nach Tirol zu nehmen. Da sich spaeter herausstellte, dass ich die Stangen gut selber reparieren konnte, musste ich diese nette Geste jedoch nicht in Anspruch nehmen. 





Ich packte und stieg nach Lager 2 ab. Dort traf ich alte "Bekannte" wieder die mich herzlich willkommen hiessen. Diese Nacht schlief ich ausgesprochen gut. Ich startete am naechsten Morgen zeitig in den Sonnenaufgang, um die Gluthitze zu umgehen. Die ueber die groesseren Gletscherspalten gelegten Leitern erleichterten zwar auf jeden Fall den Uebergang, waren aber fuer mich die groesste mentale Herausforderung. Vier Stueck an der Zahl ueber die ich hinueber zitterte. Immerhin im Abstieg leichter als im Aufstieg. So kann man auch groessere Spalten bergab ueberspringen, bei denen man im Aufstieg nicht daran denken kann. 




Ich traf ein paar Jungs mit Ski. Auf die Abfahrt war ich schon neidisch. Fast jeden Tag gab es einen Hauch an Neuschnee. Um den Aufstieg beneidete ich sie jedoch nicht. 







Noch bevor die ersten Sonnenstrahlen mich streiften war ich unten. Nun war der Weg zum Lager 1 einfach. In dem Zelt, wo ich meine Wanderschuhe gelassen hatte, bekam ich Kaffee, sortierte meine Sachen neu und machte mich an den idyllischen Abstieg zum Basislager. Meine Wanderschuhe hielten den gesamten Weg. Erst vor kurzem hatte ein Schuster in Innsbruck mir neue Sohlen verpasste. Nun loesten sich diese. Zelt kaputt, Isomatte kaputt, Schuhe kaputt. Schoener Mist. Aber ab jetzt konnte nichts mehr meine Stimmung versauen.

 










Am Travelers Pass angekommen stellte ich nun in aller Deutlichkeit fest, was das Schoenste am Hoehenbergesteigen ist: das Zurueckkommen. Die vielen bunten Farben. Der Duft des Grases und der Blumen. Das Hineinlegen in das weiche Gras. Die Anspannung die von einem abfällt. Der enorme Sauerstoffgehalt auf 4000 m. Endlich wieder normal laufen. Ja, ich kann gehen! Sogar bergauf ohne Probleme. Nicht das Gefuehl des Erstickens bei jedem Schritt. Es ist der Himmel! Wenn auch viel weiter unten als die Hölle da oben. (Also, das ist natürlich keine Hölle, es ist nur literarisches Stilmittel, da es irgendwie passt).

Sewa wartete vor dem ersten Anstieg auf mich. Mit einer Thermoskanne Hibuskustee. Das war der Hammer. Er liess es sich auch nicht nehmen, meinen überdimensionierten Rucksack zu tragen, auch wenn er doppelt so groß wirkte wie er selbst.  Sogar Gemüsesuppe hatte er bereits bestellt und da stand mein Zelt! Er hatte es fertig gebracht, die Stangen so neu zusammenzusetzen, dass es tatsächlich funktionierte. Es war ein Traum!




Nach dem kleinen Vorabendessensnack gingen wir in die kleine, gemütliche Bar. Leider gab es keinen kirgisischen Wein, aber französischer Weiswein tat es zur Not auch.




 

Der Fahrer der uns gebracht hatte, holte uns auch wieder ab. Ich hatte mir seine Nummer geben lassen. Am Pamirhighway angekommen, lud uns sofort ein Minibus ein. Wir mussten keine einzige Minute warten. Die langen Stunden der Fahrt wurden immer heißer, ich immer komatöser.

Im Ofen Osh angekommen nahmen wir die beste Dusche der Welt im Park Hostel und ich lud Sewa zum Essen ein bevor er sich auf den Rückweg nach Bishkek machte. Meine Schuhe brachte ich zum Schuster und erklärte ihm, die gefundenen Zeltstangen in 10 cm lange Stücke zu schneiden. Ich denke, er hat verstanden, was ich von ihm wollte. Das werde ich gleich sehen. Den langen Weg zu einem großen Supermarkt nahm ich auf mich, um mir Sojamilch zu kaufen und im Hostel Abkühlung an ganz viel Eiskaffee zu finden.

In Andijon hatte ich ein Zimmer im Sheikh Hostel, dem einzigen Hostel, das ich im Internet finden konnte. Nicht sehr schoen, aber OK, und mitten im Basar gelegen, 500 m vom Bahnhof entfernt, von dem aus ich am naechsten Morgen den Zug nach Samarkand nahm. Schoen gemuetlich, dafuer kuschelig warm. Nur die oberen Teile der Fenster waren anzuklappen, aber ich habe ueberlebt, wenn auch gerade so. 12 Stunden Sauna. Auf die Minute puenktlich war der Zug. An jedem Bahnhof hielt er eine Weile, sodass man aussteigen konnte. Am laengsten in Tashkent. Dort nutzte ich die Gelegenheit, mich auf der Bahnhofstoilette zu erfrischen. Die usbekischen Bahnhoefe sind bis in den kleinsten Winkel blank geputzt. Wie auch Samarkand, das wirkt, als waere es gerade erst erbaut und ueber Nacht poliert worden. So frisch und gruen sind die Parkanlagen, dass sich keiner getraut, auf die Rasen zu treten. Eine wunderschoene Stadt, nur kann man sich leider in der Hitze nur abends oder frueh morgens bewegen. Viel Zeit blieb mir daher, mein Zelt im liebenswuerdigen Old Radio Hostel zu flicken. Mit den gefundenen, in Stuecke geschnittenen Stangen ueberbrueckte ich die Bruchstellen. Leider verrutschten sie. Es war Montag, der Markt geschlossen. ein Schmuckverkaeufer half mir aus der Patsche und klebte penibel die Stangen zusammen, sodass die Uebergaenge zwischen den verschiedenen Materialien glatt wurden. Es funktionierte. Bisher. Am 01.08.2023 abends geht es nun weiter mit dem Zug von Samarkand nach Dushanbe.







Eingestellt von Katrin

7 Kommentare:

  1. Endlich hatte Pik Leipzig mal wieder Besuch. Er musste lange warten. Was wohl DAV Sektion Leipzig dazu sagt.

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    1. Nun hat sich sogar Erhard Klingner gemeldet, die Leipziger Legende.

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  2. Auch sehr cool, Du sammelst ja prächtige Materialerfahrungen ;). Ich drück die Daumen, dass alles durchhält. Stephan

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  3. Hallo Katrin, klingt eine super Reise.
    Liebe Grüße Franz und Christine

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  4. Als einer der Vier 1989 sage ich, daß war von Dir, liebe Katrin, eine ganz tolle Reise und darüber hinaus eine erstaunliche große Leistung. Ich bewundere Dich sehr! Erhard, auch im Namen von Ralf Brummer

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  5. Wow Katrin, what such incredible landscapes. Saludos de México. Pedro

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  6. Wow einfach.. Eine extrem beeindruckende Leistung und tolle Aufnahmen, meine Liebe.
    LG Yvonne

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