Kirgistan-südliche Issyk Kul See Gegend - Yeti Ögüz

 Heute wollte ich einfach mal chillen und ein wenig die nähere Umgebung kerkunden. Zum Frühstück hatte ich mir am Vortag Brot organisiert. Instant Kaffee hatte ich noch. Vom Hostel wurden heisses Wasser und Zucker gestellt. Vielleicht 200 m talauswaerts laeuft man auf der spaerlich asphaltierten Strasse, um zum Eingang es gebrochenen Herzens zu gelangen. Eine relativ neue oder gut erhaltene Bruecke fuehrt ueber einen reissenden Bach. Nachdem man durch ein kleines Nadelwaeldchen gegangen ist, kommt man zu einer Ansiedlung ordentlicher Jurten. Hier kann man auch uebernachten. Das meiste Geschaeft wird aber anscheinend mit Tagestourismus gemacht.

 


Der Ort ist bei den Kirgisen sehr beliebt. Dass es sich um eines oder das beliebteste Ausflugsziel ueberhaupt handelt, hatte ich erst am Vorabend nachgelesen. Kurz wollte ich hinauf klettern und dann ein wenig dem Wanderweg in die Berge folgen. Wieder einmal sammelte ich unterwegs ein paar Plastikflaschen. Irgendwie war es etwas unwegsam. Anscheinend hatte ich den falschen Weg erwischt. So richtige Wege gibt es hier nicht, nur Trampelpfade. Im Allgemeinen ist man ganz sicher, wenn man auf den Wegen Hufspuren und Pferdeaeppel sieht. Oftmals bin ich nur den Tierspuren gefolgt. Es ist erstaunlich, wie gut die kirgisischen Huftiere, sogar mit zusammengebundenen Vorderbeinen und im vollen Gallopp klettern koennen.

 


Aufgrund der Steilheit und des nicht ganz so kriffigen Gesteins, gelangte ich nicht bis ganz oben und dachte bei mir, dann den gegenueberliegenden roten Huegel zu erklimmen, von da aus sollte die Aussicht noch besser sein.

 



Einmal dort oben, mittlerweile war es schon wieder bruetend warm, nachdem der Morgen angenehm kuehl nach einer durchregneten Nacht begonnen hatte, folgte ich dem Bergruecken. Auf der anderen Seite hatte ich Einblick in ein wunderschoenes Tal. Die korallenartig anmutenden, ziegelroten Felsen die sich aus dem Erdboden in allen Richtungen mit immer gleicher Neigung aufbaeumten, waren mit saftig gruenen Wiesen und Waeldern ueberzogen. Ein wunderbarer Kontrast ueberspannt von einem strahlend blauen Himmel mit weissen Schaefchenwolken. Im Hintergund abermals die hohen, vergletscherten Berge des Tian Shan, in einiger Entfernung, aber nicht weit.

 









Der Abstieg wurde durch stachelige Buesche verkompliziert da dort, wo ich vermeinte hinuntergelangen zu koennen, ein ueberhaengender Abhang wartete. Bald schon zeigten erneute Plastikflaschenansammlungen die Richtigkeit meiner Wegwahl an. Das einzig Gute ist, dass man auch immer damit rechnen kann Plastiktueten zu finden, in die man die Flaschen dann zum besseren Transport hineinstecken kann. Einmal mit diesem Spiel angefangen, ist es aber schwer, wieder aufzuhoeren. Mein Weg fuehrte ueber kurz geknabberte Wiesen mit Lilien und Eisenhut der der Knabberei ob seiner unangenehmen Eigenschaften entkam. So wurde mein Beutel schnell voll. Weitere Plastiktueten fanden sich schnell und viel Material, sie zu fuellen. Anscheinend werde ich schon ein bisschen paranoid. Der Blick schweifte umher auf der Suche nach immer mehr. Wo immer sich eine Mulde in die Landschaft formte, wurde diese alsgleich als Muelldeponie missbraucht. Wohl wissend, dass die Gegend schoener erscheint, versteckt man den ganzen Mist ein wenig. Dann schadet es auch nicht, bis das eigene Pferd elend an einer verschluckten Plastiktuete verreckt.

 


An einer dieser Muellhalden fand ich einen grossen Sack. Sogleich war er berstend bis ueber den Rand gefuellt. Auch wenn er etwas schwer und unhandlich war, so konnte ich das Ding ja nun nicht liegen lassen. Ich sah es als gutes Training an und irgendwann, nachdem ich mich erneut durch die Buesche schlagen musste, nochmal ein wenig bergauf, dann wieder bergab, kam ich wieder an der kleinen tourischen Jurtensiedlung an und platzierte den mehr als schafskoerpergrossen Sack direkt unter dem "Ich liebe Yeti Oguz" Schild.

In dem kleinen Restaurant mit dem leckeren Abendessen goennte ich mir einen Kaffee und einen Liter hausgemachten Saft und liess mich von den vielen Kindern dort bespassen, die ihre Uebersetzungsapp ausprobierten. So konnte ich ihnen auftragen, besser auf ihr wunderschoenes Land aufzupassen als die jetzige Generation es tut. Sie sahen das auch so, sagten sie jedenfalls.

Nun war ich gespannt auf das Thermalbad. Von Weitem sieht es einfach aus wie ein riesiger Betonbau im bekannten Sowjetstil. Wie ich bei Sandy Feet gelesen hatte, etwas gruselig. Einer der Orte der aussieht als wuerde man nie wieder gesehen, hat man ihn einmal betreten. So schlimm wird es wohl nicht sein, die uebertreiben sicher masslos, dachte ich mir. Aber tatsaechlich, aus der Naehe betrachtet, ist das exakt die Beschreibung, die darauf zutrifft.

 





Im Inneren scheint es nicht ganz so einsturzgefaehrtet zu wirken wie von aussen, aber die Kunstmamorverkleidungen aus Pappmaschee scheinen fast alles zu sein, was die Konstruktion zusammenhaelt. Bei jeder Stufe die ich betrat, war ich darauf gefasst, dass sie brechen wuerde. Als waere die Zeit eingefroren, wie bei Momo, hielten sie aber Stand. Zwei Verbindungsgaenge mit grossen, verdreckten Glasfronten lassen einen Einblick ins Innere zu das aussieht wie eine verstaubte, lang vergessene Theaterkulisse. Leider war der Badebereich schon geschlossen, sonst haette ich es, nur um zu testen, ob man vielleicht doch lebend wieder herauskommen koennte, sehr gern einmal ausprobiert. 




Zumindest um die Helden ist die Wiese ordentlich abgekrast.
 

Komisch der Anblick schick gekleideter, mittelalter Frauern mit Rollkoefferchen, die aussehen, als wuerden sie zum Wellnessurlaub anreisen und gar nicht bemerken, dass das Sanatorium wegen Einsturzgefahr schon seit Jahrzehnten geschlossen ist. Nein, sein muesste. Steht man unter den geoeffneten Fenstern, hoert man Stimmen. Das Geisterbad scheint tatsaechlich bewohnt. 

Auch das kleine Doerfchen das sich um das Sanatorium gebildet hat, sieht nicht gerade gepflegt aus. Ich weiss, Kirgistan ist kein reiches Land, aber auch in den anderen Sowjetstaaten waren die Gueter recht spaerlich verteilt und ich hatte immer den Eindruck, als haetten es die DDR-Buerger sehr gut verstanden, aus Scheisse einen Bonbon zu machen. Wahrscheinlich ist dies sogar ein ostdeutsches Sprichwort, jedenfalls kenne ich es nur von da. Den Kirgisen scheint diese Faehigkeit leider nicht zu Teil geworden zu sein.  Dafuer sind sie ein immer nettes, froehliches und hilfsbereites Voelkchen unter dem man sich trotz manch optischer Maengel doch sehr wohl fuehlen kann.

Wanderung suedlich von Yeti Ögüz

Es war Dienstag, 27.06.2023. Am Wochenende sollte ich, voraussichtlich, mein Permit für die Wanderung im Enylchek Gebiet in Karakol erhalten. Südlich von Yeti Ögüz ragen die hohen Berge auf. Ich wollte da ein wenig wandern gehen, diesmal mit leichterem Gepaeck und Steigeisen, Seil und so weiter im Hostel lassen. Ein oder zwei Übernachtungen, je nachdem, wie schnell ich voran kam. Noch einige weitere Dinge gibt es am Südufer des Issyk Kul zu entdecken. Meine Route war 60 km und führte über einen 3920 m hohen Pass auf dem ich gedachte zu übernachten, im Falle, dort gäbe es ein ebenes Fleckchen. 


Von dem kleinen Örtchen führt eine Schotterpiste Richtung Süden in die Berge, immer an einem reißenden Bach entlang. Viele Brücken führen über diesen hinweg. So schlängeln sich Bach und Straße durch die mal enge, mal weiter werdende Schlucht. Hier läuft niemand, auch wenn die Strasse für einen Mitteleuropäer nicht erst die Idee aufkommen ließe, sie mit einem Auto zu befahren. Einige PKW rasten dennoch an mir vorbei. Nachdem ich ungefähr fünf Kilometer gegangen war, hielt neben mir ein alter Mercedes Transporter mit vier Kühen und einem Kalb auf der kleinen Ladefläche. Die beiden älteren Herren mit ihrem bezaubernden Goldzähnelächeln luden mich ein, mit ihnen mitzufahren. Auf eine Kuh mehr kam es wohl nicht an. Dieser Einladung konnte ich diesmal nicht widerstehen. Die beiden wirkten äußerst freundlich und charmant. 

Einer der beiden schaute immer wieder durch das Rückfenster, ob wohl die Kühe auch die holprige Fahrt überlebten. Komischerweise schienen sie das unbeschadet zu tun. Mir wurde gelegentlich Angst und Bange beim Schwanken des in die Jahre gekommenen Transportmittels. 

Unterwegs wurde eine Pause eingelegt. Der Fahrer musste sich wohl etwas Mut antrinken. Das schlimmste Stück stand gerade bevor. Wir anderen beiden stiegen dafür aus. Der Beifahrer legte Steine hinter die Reifen, um ein Zurückrutschen des Transporters zu verhindern. Dann ging es Meter um Meter einen steilen, sehr zerfurchten, steinigen Abschnitt hinan. Oder doch nicht. Mit blockierten Rädern rutschte die Karre immer weiter und schneller rückwärts nach unten. Die Chance wurde genutzt und das Ganze nun mit Anlauf versucht. Es klappte.

Als wir ihr Ziel nach ca. einer Stunde erreicht hatten, sah ich auf die Karte und stellte fest, dass wir gerade einmal fünf Kilometer zurück gelegt hatten. Wäre ich gelaufen, wäre ich wahrscheinlich gleichzeitig mit ihnen angekommen. Wir verabschiedeten uns. Das Gefährlichste an meinem Ausflug war nun also überstanden.

 



Der Weg führte weiter an einem breiten, sich über grüne Wiesen schlängelnden Bach entlang. Der Blick auf eine Kette von schneeweißen 5000ern tat sich auf. Fast senkrecht wirkende Eisflanken bauten sich am Ende des Tals auf. Meine Route führte in ein Seitental nach rechts, um dann ein weiteres süd- nördlich ausgerichtetes Paralleltal zu erreichen. Bevor es nach oben ging nahm ich ein Bad in einer kleinen, seichten Kuhle des reissenden Stroms. Dann führte mich der Weg bergan durch Blumenwiesen. 

 



Bald schon verschwand die Sonne und es begann zu regnen und gewittern. Nun ging es über fast ebene Wiesen an deren Bewuchs sich grosse Pferde- und Kuhherden freuten. Trotz des Gewitters ging ich immer weiter, denn das Wetter ändert sich schnell. Es währte nich lang, da erschien wieder die Sonne über dem von mir angepeilten Pass und ließ hinter mir einen Regenbogen erstrahlen.


Erstaunlich gut war der Weg. Schon unten war er, wenn man ersteinmal den Anfang gefunden hatte, sehr gut ausgetreten. Aber nicht nur bis zu den Weiden führte er, sondern nun, nach Verlassen des saftigen Grüns, ging er weiter über die Moräne, mit unzähligen Steinmanderln markiert.

 



Wieder verdunkelte sich der Himmel. Zwei kleine Schneefelder waren zu überqueren und was von unten noch wie eine senkrechte Wand gewirkt hatte, war nun ein Steiler, aber ohne Probleme zu gehender Weg. Links und rechts von einer kleinen Lücke in die man über Fels auf den Pass gelangte, hingen Schneewächten über. Auf der anderen Seite ähnelte das Tal dem vergangenen.

 



Dichte Wolken zogen wieder auf und es wurde stürmisch. Als wollten die Berge mir sagen, ich solle auf keinen Fall auf dem Pass übernachten, fingen sie an, mir dicke Schneeflocken ins Gesicht zu blasen und gestalteten den Aufenthalt dort oben sehr ungemütlich. Eine kleine ebene Stelle hätte es zwar gegeben, aber komplett ungeschützt. Die beiden Berge zu meiner Linken und zu meiner Rechten musste ich des Wetters wegen nun auch unbestiegen zurück lassen. Ich blieb nicht lang auf dem Pass. Es war gerade sechs Uhr abends und weiter unten auf der anderen Seite sollte es weitaus gemütlichere Übernachtungsmöglichkeiten, sogar mit Wasseranschluß geben.



Ich fand eine idyllische Stelle und der Wind war hier unten auf 3450 m auch kaum mehr zu spüren. Am nächsten Morgen wollte ich nicht spät los, denn ich hatte noch 35 km vor mir. Unten im Tal angekommen standen auch schon die ersten Jurten idyllisch auf den Wiesen am Fluss platziert. Diese hier waren sehr gepflegt und hatten sogar eine Solaranlage. Direkt an der Siedlung vorbei führte der Weg und die Familie die dort wohnte lud mich auch gleich zum Tee ein. Sehr gemütlich war es in der mit bunten Teppichen ausgeschmückten Jurte. Der Wasserkessel summte auf dem unermüdlich feuernden Ofen der die Behausung in eine Sauna zu verwandeln drohte. Meinen Teil zum Frühstück trug ich mit ein paar Stücken zuckerfreier Orangenschokolade bei, die dankend angenommen wurde.


Bald musste ich weiter. Kurz bevor der Weg auf der Karte zur Straße wurde, traf ich an einer Bachüberquerung zwei niederländische Mädchen die in einer kleinen Pension nur wenige hundert Meter flußabwärts wohnten. Dort gäbe es heiße Quellen, sagten sie. Da ich die von Saruu nun noch nicht besucht hatte, war ich umso gespannter. Die Zeit wollte ich mir auf jeden Fall nehmen. 

Direkt hinter der ersten Brücke des Tals stand ein unspektakuläres Steinhaus an dessen Front ein altes Plakat auch auf Englisch auf diesen Geheimtipp hinwies. Hier gab es wirklich Hotsprings. Eine mittelalte Frau verriet mir, dass heute Nationalfeiertag war. Zwei kleine Becken waren außen, direkt am Bach, mit kleinen, blauen Fließen ausgekleidet und felsigem Untergrund. Eines 38 Grad warm, das andere kalt. Im Inneren gab es ein über 40 Grad warmes Becken. Es war angenehm so in dem schwefeligen Naß zu entspannen während der Himmel sich noch bedeckt hielt und ein paar Regentropfen zur Erde sandte. Länger als eine Stunde konnte ich aber nicht bleiben.





Auf dem Weiterweg kam ich an unzähligen Jurten, Pferden und Kühen vorbei.

 



Nach vielen Kilometern ging es dann nach rechts in die hügelige, immer roter werdende Landschaft. Zunächst entlang eines kleinen, nicht in die Karte eingezeichneten Baches. Die saftigen, hügeligen Weiden mit den glücklichen Kühen und die Berge ihm Hintergrund erinnerten eher an die heimatlichen Berge und ließen fast vergessen, dass ich mich in Zentralasien befand. Es ging 500 m nach oben. Nun eröffnete sich der Blick auf die roten Felsformationen die ich schon vor zwei Tagen durchwandert hatte.

 









Irgendwann sah ich einen Fußabdruck. Das war meiner. Genau hier war ich entlang gekommen. Die Menschen sind hier alle zu Pferd unterwegs, daher sieht man außer Hufspuren keine anderen Fußabdrücke. Ungefähr 500 m waren der Weg von vor zwei Tagen und mein jetziger identisch. Dann nahm ich den dirkten Weg bergab nach Yeti Ögüz. Direkt nach Ankunft im Hostel begann es, wie aus Eimern zu schütten.

Eingestellt von Katrin

1 Kommentar:

  1. Liebe Katrin, macht Spaß deine Reise im Blog zu verfolgen. Noch schöne Reise. Liebe Grüße aus Vorarlberg senden Franz und Christine

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