Kirgistan - Tian Shan suedlich des Issyk Kul

 

Als ich am 22.06.2023 das Hostel verlassen wollte, um in den Bergen wandern zu gehen, wurde mir das gar nicht so einfach gemacht. Fruehstueck gab es erst um neun, also hatte ich etwas Zeit, ein paar Saetze fuer meinen Blog zu schreiben, auch wenn das WLAN nicht ausreichend gut fuer mein kleines Notebook war. In Open Street Maps hatte ich mir eine kleine Runde in dem riesigen Tian Shan Gebirge mit Start im Barskoon Tal und Endpunkt in Saruu ausgesucht ueber einen 3800 m hohen Pass, insgesamt 83 km lang. Da ich von Saruu aus mit dem Bus weiter nach Karakol wollte, musste ich alles mitnehmen. Vier Tage hatte ich eingeplant und wollte nur noch Spaghettinachschub organisieren. Das aeltere Ehepaar, ich glaube, die Eltern der Hostelinhaberin, nahmen mich im Auto mit, da sie auch einkaufen wollten. Auch danach aber liessen sie mich erst gehen, nachdem sie mir ein hervorragendes Mittagessen gezaubert hatten.

In das Tal fuehrt eine, zu Beginn asphaltierte Strasse. Daher dachte ich zu trampen, da ich ungern auf Strassen gehe. Das klappte auch ganz hervorragend. Beinahe denke ich, dass jeder anhaelt, denn kaum ein Auto, es sei denn, es ist komplett vollgestopft, faehrt an einem vorbei.

Ich hatte mich ueber den regen Verkehr auf der recht guten Piste gewundert. Auch viele LKW kamen uns entgegen. Von dem zweiten Fahrer der mich mitnahm erfuhr ich, dass er im Zyanidabbau arbeite. Dass es in Kirgistan die 7.groesste Goldmine der Welt gibt, die den Kanadiern lange Zeit gehoert hatte, hatte ich schon irgendwo gelesen. Wie es der Zufall wollte, berichtete mir Kurt Lehmkuhl in seinem Buch gerade an diesem Abend darueber. Mit dem giftigen Zyanid wird das Gold gewaschen. Ganz weit in das Gebirge hinein fuehrt die Strasse, an einer Kreuzung geht es nur einige Kilometer weiter dann im Sueden nach China. Da der Mann an den auf 3800 m gelegenen grossen Seen vorbei fuhr, eigentlich 20 km weiter als mein Abzweig war, entschied ich mich spontan, bis dorthin mitzufahren.

Die Strasse schlaengelte sich unendlich bergauf bis die Gegend immer kahler wurde und die Gletscher immer weiter an die Stasse heran reichten. Das weite Tal war umgeben von ueber 4000 m hohen Bergen. Am Ende des halbzugefrorenen Sees stieg ich aus und watete mit meinen Sandalen an den Fuessen durch das kalte, breite Bachbett das den See speist.



Es war sehr windig und ich versuchte, einen etwas geschuetzten Flecken zu finden. Ohne Baeume auf einer weiten Ebene etwas schwierig, aber ich fand eine ebene Stelle auf einer verdorrt scheinenden Wiese die jedoch uebersaet mit kleinen, fast durchsichtig weiss bluehenden Blumen war.

 


Etwas weiter unten trat ein kleiner Bach aus der feuchten Erde. Gerade noch im Trockenen konnte ich das Zelt aufbauen. Als ich noch ein Stueck gehen wollte, den Berg hinan, begann es erneut zu stuermen und zu regnen, sodass ich umkehrte. Kaum war ich im Zelt, schien wieder die Sonne. Wirklich komisches Wetter hier. 


Ueber Nacht schien es gehagelt zu haben, denn mein Zelt war am naechsten Morgen in eine Hagel-Eisschicht gehuellt. Zum Trocknen konnte es noch ein paar Stunden stehen, denn ich wollte den Berg ersteigen, der sich hinter meinem Zelt noch 510 m bis auf 4330 m Richtung Himmel erstreckte. Zunaechst ging es ueber Wiesen und Geroell. Immer haeufiger und groesser wurden nach oben hin die zu ueberwindenden Schneefelder. Bruchharsch in den man bei fast jedem Schritt bis Knie oder Huefte versank. Das Spuren dauerte ewig. Schon ueber zwei normale Schritte nacheinander freute ich mich oder wenn ich gelegentlich auf ein Schotterfeld traf. Nach dreieinhalb Stunden aber war ich endlich oben. 




Irgendwas war mit der SD Karte meines Fotoapperates geschehen. Dieser meinte, sie sei nicht formatiert und so konnte ich damit nicht fotografieren. Nur im internen Speicher des Fotoapperates konnte ich die Bilder speichern und entfernte die SD-Karte. Da ich auch den Rechner mit hatte, konnte ich die Bilder zwischenzeitlich speichern. Das fiel mir aber erst einen Tag spaeter ein.

Um mich herum erhoben sich neben den weiten, von Flussgeflechten und Suempfen durchflossenen Taelern, die zahllosen 4000er des Tien Shan. Sanfter wirkten hier die Berge als im Ala Archa Nationalpark. Beinahe jeder ein idealer Skitourenberg. Wieder wurde es windig und ich machte mich bald an den Abstieg, da ich ja meine eigentliche Wanderung heute noch beginnen wollte. Abwaerts ging es nun etwas einfacher, dank meiner muehsamen Spurarbeit vom Morgen.




Nachdem ich alles gepackt hatte, wieder durch das Flussgewirr gewatet war und ein paar Minuten die Strasse entlang gegangen war, hielt auch schon ein Mann mit seiner Schwester. Er war urspruenglich kasachischer Russe, hatte aber 17 Jahre in Wuppertal gelebt und nun seit 10 Jahren in Bischkek. Was fuer ein Zufall. So bekam ich Informationen ueber die Gegend und auch die Goldmine. Nachdem der jetzige Praesident wegen Machenschaften mit der Mine im Gefaengnis gelandet sei, ging diese dann 2022 nach einer aussergerichtlichen Einigung in kirgisischen Besitz ueber.

Als wir die Serpentinen wieder herab fuhren, erlangte ich Einblick in das Tal, das ich betreten wollte. Es ging ganz schoen weit nach oben. Aber ich hatte ja Zeit. Es war frueher Nachmittag und ich hatte sonst nix zu tun. Anfangs sah ich den Weg nicht und ging einfach nach oben, stiess dann aber bald darauf. Sogar die eingezeichnete kleine Bruecke ueber den tosend das steile Tal herabrauschenden Bach gab es. Auf ueber 3000 m traf ich auf ein kleines Haeuschen mit einer Familie mit grosser Schafherde.

 


Ab da traf ich niemanden mehr ausser grosser Herden wunderschoener halbwilder Ponies, Kuehe und unglaublich dicke Murmeltiere. Sie schienen mir hier sogar dicker und groesser als unsere heimischen Alpenbewohner, wenn auch genauso flink. Endlos zog sich der Weg immer weiter nach oben bis ich nach 1000 Hm und sieben Stunden inklusive Pausen endlich den Pass auf 3800 m erreichte. Durch saftig gruene Weiden mit Kuehen und Pferden und bunten Blumenwiesen hatte der Weg gefuehrt. Flankiert von schroffen Felsen und dahinter aufragenden Gletscherbergen, immer entlang eines kleinen Baches, den es auch noch einmal zu durchqueren galt. Den Luxus einer Bruecke aber musste ich noch bis zum naechsten Tag missen. Auf dem Pass selbst war der Boden recht feucht. Eine trockene, ebene Stelle liess sich aber schnell finden. 



In der Nacht riss und ruettelte der Sturm an meinem Zelt, dass es ein Hoellenlaerm war der mich lang nicht einschlafen liess. Mollig warm war es in meinem Schlafsack und irgendwann waren auch alle Wolken weggeweht und die Milchstrasse erstrahlte ueber mir am mondlosen Himmel.

Folgend ging es nur noch bergab. Das Bachbett verjuengte sich bis ich es an einer geeigneten Stelle ueberqueren konnte. Hinter der Schlucht traf ich wieder auf gruene Wiesen mit Kuehen. Komisch, dass diese praeferierten, im absturzgefaehrdeten, kargen Gelaende zu klettern oder im steinernen Bachbett zu liegen, anstatt das saftige Gras zu essen das es, gesprenkelt mit kleinen gelben Blumen, im Uebermass gab.

 







Nun wurde der Weg sehr einfach und traf auf ein Becken, in dem drei Taeler zusammenflossen. Von rechts her bog das Nomadental von Sueden ein und fuehrte weiter nach Norden. Unten am Zusammenfluss gab es eine Bruecke und einen ganz sauber aussehenden Biwakcontainer.

 


Das Tal Richtung Norden, in dem ich nun dem Nomadentalweg folgte, war sehr breit und grün. Immer höher wurden die Büsche bis sich später auch Bäume hinzugesellten. Der Großteil der Fläche blieb aber Weideland. Riesige Pferde- und Kuhherden soweit das Auge reichte. Später kam ich an mehreren Jurten vorbei. Auf der Karte ist bei Kilometer 55 der Beginn einer Straße eingezeichnet. Es war zwar erst um vier Uhr nachmittags, aber hier war, ungefähr zwei Kilometer vor Beginn der Straße, ein Zeltplatz am Bach markiert, den ich aufsuchte, um hier die Nacht zu verbringen. Beschäftigung fand ich mit Schreiben und vorher mit Müll sammeln.

 















Bis ich zu diesem breiten Tal kam, hatte ich so gut wie keinen Müll gesehen. Nun, da es wieder menschliche Behausungen gab, wurde es mehr und mehr, v.a. in der Nähe der Jurten. An meinem Zeltplatz flossen mehrere kleine Bäche zusammen. Etwas oberhalb war wieder eine kleine Behausung. In kurzer Zeit sammelte ich vier Säcke voll Müll und die Vermutung liegt nahe, dass dieser nicht ganz zufällig direkt unterhalb der Jurten in die Bäche gefallen sein muss. Schon dachte ich, nun alles beseitigt zu haben und querte den Bach an einer anderen Stelle, da musste ich aufgeben und feststellen, dass es einfach sinnlos war. All diese kleinen, wunderschönen, klaren Bäche, die dort aus einem Seitental meine Trinkwasserspender werden sollten, waren voll mit Plastiktüten, Flaschen, Dosen, Zigarettenschachteln… Es war zum heulen. Leider kann ich kein Kirgisisch, sonst wäre ich zu dem kleinen Hof gegangen und hätte den Leuten zurueck gebracht, was sie verloren hatten und ihnen sagen können, dass dieser Umgang alles andere als gut für ihr Land ist. Stattdessen schmiss ich es auf die Ladefläche eines am Flussufer parkenden LKW.

Natürlich ist dies kein kirgisisches Phänomen. Wenn ich sehe, was Menschen in Deutschland und auch in Österreich bedenkenlos für Müll kaufen. Alles wird einmal genutzt und landet dann, bei uns in Europa oft im Mülleimer, hier im Bach. Was eben da ist. Aber auch Ahnungslosigkeit ist heutzutage keine Ausrede mehr. Jeder rennt heutzutage, wo auch immer in der Welt, mit Telefon herum und die Netzabdeckung ist in Kirgistan gefühlt besser als in Deutschland. Dass da jemand behauptet, er wisse nicht, dass sich Plastiktüten nicht im Bach auflösen, ist einfach Quatsch. Leider hab ich aber auch keine Ahnung, wie man den Menschen auf der Welt beibringen kann, besser mit der Umwelt umzugehen. Nicht nur die Plastiktüten gehen den Bach herunter, nein, die ganze Welt. Und immer noch denken die meisten Menschen keinen Schritt weiter als bis zum nächsten Tag und wie es ihnen persönlich am besten gehen kann und sie es möglichst einfach haben. Ein Kaffee aus dem Einmalbecher spart Zeit und Abwasch. Ist das so? Kann so was überhaupt schmecken? Ich kann nicht einmal die leckersten veganen Dinge aus dem Tiefkühlregal genießen, wenn sie in Plastik verpackt sind. Da vergeht mir einfach der Appetit. Tatsächlich kann man ganz einfach auf den Großteil der Verpackungen verzichten. In Innsbruck war der erste Laden, den ich aufsuchte um dort künftig mein Essen zu kaufen als ich dort hin zog, der Unverpacktladen „Greenroot“ (Danke Engin!). Solche Läden gibt es aber nicht nur in Innsbruck und auch das Obst und Gemüse das man kauft, muss nicht noch mal extra in Plastiktüten gesteckt werden.

Von meinem neu gekauften Russischlernbuch schaltete ich bald auf die kasachischen Maerchen um. Das war wesentlich entspannter zu lesen und ich konnte es auch verstehen. 

Zwar war der naechste Wegabschnitt bis nach Saruu sehr lang, dafuer aber sehr einfach, immer leicht bergab der Strasse entlang durch ein wunderschoenes Flusstal. Der Blick zurueck fiel auf die weiss gedeckten hohen Berge, nach vorn ins Gruen. Bis dann schliesslich das Gruen langsam in eine Art Steppenlandschaft ueberging. Etwas weiter unten am Talboden floss nun der Bach entlang waehrned die Strasse oben der prallen Sonne ausgesetzt war. In einiger Entfernung ward diese dann wieder von knallroten sandsteinartigen, schwammfoermigen Felsformationen gesaeumt. Zu deren Fusse war hier der kleine Bach bereits zu einem reissenden Strom geworden. An einem kleinen Zufluss fand ich aber noch eine seichte Stelle zur Abkuehlung.









 









 

Immer flacher wurden die Berge zu beiden Seiten. Felder bunter Blumen bedeckten die flache Landschaft. Ich denke, die rosanen sind Buchweizen. Da ich mittlerweile schon recht weit unten war, wurde es immer waermer. Fast jedes vorbeifahrende Auto hielt und immer wieder wurde mir die Mitfahrt angeboten. Das erste Mal vom Milchwagenfahrer. Aber ich wollte ja laufen.

Einige Kilometer vor Erreichen des Ortes, war dann die Landschaft doch etwas unspektakulaer geworden und die am Wegesrand wachsenden Pappeln und Espen boten nur wenig Schatten. Zumal hatte hier unten das Wasser seine Trinkwasserqualitaet stark eingebuest und viel hatte ich nicht mehr in meiner Thermoskanne. Bei dem naechsten haltenden Auto willigte ich daher in die Mitfahrt ein. Diesmal funktionierte die Kommunikation ueber Whatsapp mit einer Freundin des Fahrers. Wie sich herausstellte hatte sie ein Hostel und ich willigte ein, dort mit hinzufahren, auch wenn ich eingentlich in die Saruu Hotsprings wollte. Angeblich gibt es in dem Ort aber weder ein Cafe noch Restaurant mit WLAN und ich wollte unbedingt erfahren, wie es um mein Grenzpermit fuer die Enylchek Gegend bestellt war. Denn danach richtete sich meine weitere Planung.

So kam es, dass ich ganz zufaellig im Jeti Oeguez Resort am gebrochenen Herzen, einer aeusserst dramatischen, ziegelroten Felsformation in einem wunderschoenen Tal landete. Von diesem Herzen hatte ich gerade erst in Kurt Lehmkuhls Buch gelesen, hatte aber gar nicht vermutet, es auch persoenlich kennenzulernen. Auch fand ich es wesentlich schoener als er es beschrieben hatte. Das Hostel ist gross, ruhig und sauber. Etwas weiter die Strasse hinunter gibt es ein Jurten Restaurant in dem ich das allerleckerste Abendessen bekam das ich mir haette fuer diesen Abend ertraeumen koennen: Lagmansuppe (kirgisische Nudeln) mit Gemuese und riesige Gemuesedumplings.

Nun habe ich also noch eine Woche bevor mein Permit fertig ist. Mal sehen, was mich da noch erwartet.

Eingestellt von Katrin

1 Kommentar:

  1. Do people there speak English? Or what language do they speak?

    AntwortenLöschen